Abstract

Auf einer Veranstaltung in der Evangelischen Akademie Loccum hielt Anfang März 1980 der Historiker Joachim Radkau einen Vortrag über die „eigentliche und die uneigentliche Kontroverse über Kernkraft“. Bei der Debatte um die Kernenergie gehe es nicht nur um die „eigentlichen“ Probleme der Kerntechnik, betonte er, sondern es würden anhand der Atomkraft in Wirklichkeit eine Vielzahl anderer, grundsätzlicherer, also „uneigentlicher“ Themen verhandelt.Zur Auflösung der Fußnote[1] Der Bielefelder Professor hatte sich seit den frühen 1970er Jahren mit der Entwicklung der Atomwirtschaft in der Bundesrepublik befasst und darüber auch habilitiert.Zur Auflösung der Fußnote[2] Mit seiner wortverspielten Unterscheidung brachte er eine seiner Kernbeobachtungen auf den Punkt. Atomkraft – wie ab den 1970er Jahren nur noch ihre Kritiker sagten, oder Kernkraft, wie sie ihre Befürworter nannten – war eine „öffentliche Technologie“, eine umstrittene Form der Energieversorgung, anhand derer einige zentrale politische und gesellschaftliche Konflikte diskutiert wurden.Zur Auflösung der Fußnote[3]

Aber stimmt das eigentlich? War Atomkraft wirklich von Anfang an umstritten? Wer waren die Befürworter, woher kamen die Kritiker, und welche Argumente führten sie ins Feld? Welche Konfliktlinien taten sich auf? Ab wann wurde die Frage der Entsorgung der abgebrannten Kernbrennstoffe wichtig, die uns noch heute umtreibt? Welche Rolle spielten die Anti-Atomkraft-Proteste? Und schließlich: Was können wir daraus lernen für mögliche zukünftige Bürgerproteste dort, wo der deutsche Atommüll auf ewig ruhen soll? Diese Fragen werden in diesem Beitrag ausgeleuchtet, in Form einer kurzen Geschichte der deutschen Atomkraft-Kontroverse, die ohne den internationalen Kontext aber nicht angemessen zu verstehen ist.

Autor*innen
Meyer, Jan-Henrik